„100 Jahre Amateurfunkgeschichte in
Coburg“.
Der Amateurfunk in Coburg hat eine lange Geschichte.
Die Coburger werden von ihren Nachbarn ja oft liebevoll – und manchmal auch mit
einem gewissen negativen Unterton als „Residenzler“ bezeichnet, aber zeichnet
sie eigentlich nicht etwas ganz Besonderes aus?
Selbstverständlich, denn Sie sind meist immer eine
Nasenlänge der Zeit voraus. In die Zukunft blicken und die Zeichen der Zeit zu erkennen, das ist ganz
offensichtlich eine ihrer Tugenden.
Einen gewissen Weitblick kann man Ihnen ganz sicher
unterstellen. Mit einer cleveren Heiratspolitik der Coburger Herzögen hatte
alles begonnen. Unter Herzog Ernst II wurden die Gründungsversammlungen des
Deutschen Sängerbundes, und des Deutschen Schützenbundes in Deutschlands
ermöglicht. Das erste deutsche Turnfest fand in Coburg statt. Im Jahr 1921
hatten die Coburger Bürger ebenfalls eine sehr kluge und weitsichtige
Entscheidung getroffen. Mit der ersten demokratischen Volksabstimmung in
Deutschland hatten Sie sich für den Anschluss an Bayern entschieden.
Übrigens - das
erste deutsche
Elektroauto wurde in Coburg entwickelt und gebaut.
Im November 1919, kurz nach dem Ende des 1.Weltkrieges,
als nur wenige Bürger wussten was ein Radiogerät ist, gab es bereits eine kleine
Gruppe technisch sehr interessierter Herren aus Coburg und Umgebung, die sich
zum „Radioverein Coburg“ „Studiengesellschaft für Elektrotechnik und
Funkentelegrafie“ – zusammenschlossen haben. Die Hauptinitiatoren waren der
Funk-Ingenieur Alfred Riechers und der Lehrer Fritz Reeg. Die
Gründungsversammlung erfolgte am 15.11.1919.
Der Radio-Verein ist mit der Nr. 92 unter den ersten hundert Vereinen beim
Amtsgericht Coburg am 25. Mai1923 eingetragen worden.
Damit war der erste Radioverein in Deutschland aus der
Taufe gehoben worden.
Vom Schüler über Beamte bis zum Ingenieur, also die
verschiedensten Berufe waren in Radioverein vertreten. Herr Ernst Bauer der
Vater unseres bekannten Konzertpianisten Hans-Dieter Bauer, Hugo Kohles DKW
Autohändler in der Kreuzwehrstraße, Alfred Knauf Radiohändler im Steinweg, um
nur einige zu nennen. Alle begeisterten sich für das neue Medium. Ihr Interesse
galt in erster Linie dem Selbstbau von Radiogeräten, Antennen und diversen
Zusatzgeräten.
Fertige Geräte und Bauteile gab es zu der damaligen Zeit fast
nicht zu kaufen. Alles musste im Eigenbau selbst entwickelt und hergestellt
werden. Spulen wurden auf Pappröhren gewickelt und Drehkondensatoren mussten
Platte für Platte ausgesägt und dann zu Paketen verlötet werden. Diese Teile
wurden mit offener Verdrahtung auf Holzbrettern montiert, Fertige Gehäuse gab es
meistens keine. Häufig wurde der heimische Küchentisch als Arbeitsplatz
missbraucht. Das Thema elektrische Sicherheit war noch ein Fremdwort. Von
VDE-Vorschriften keine Spur. Empfangen konnte man damals nur Ausländische
Sender, z.B. aus England und Frankreich - und das nur in der Nacht.
Am 04.01.1924 beantragte man beim zuständigen
Telegrafenamt in Coburg eine Vereins-Empfangslizenz. Die Vereins-Sendelizenz
wurde am 24.03.1924 erteilt. Die zuständige Oberpostdirektion Bamberg erteilte
am 21.11.1924 die Erlaubnis zur Abnahme der Prüfung für die sogenannte
„Audion-Versuchserlaubnis“. Wer also ein Radiogerät betreiben wollte, musste nun
eine solche Erlaubnis beantragen. Diese erhielt man jedoch nur nach Ablegen
einer Prüfung durch die örtlichen Radiovereine, wie z.B. in Coburg und Bezahlung
der Gebühren von 60.00 RM im Jahr, sehr viel Geld in der damaligen Zeit.
Regelmäßige Rundfunksendungen in Deutschland gab es erst ab dem Jahre 1923.
Das wohl bekannteste Mitglied des Radiovereins war der
damalige Gymnasiast Walter Dieminger † DL6DS. Sein Vater, Bankbeamter in
Würzburg, wurde 1925 nach Coburg versetzt, um den hiesigen Direktor der
Bayerischen Staatsbank, der an einem schweren Augenleiden litt zu unterstützen. Der Radioverein besaß bereits eine eigene Sendelizenz mit dem Rufzeichen EK4UAB,
so konnte Walter ganz offiziell damit funken. Im Wohnhaus in der Mohrenstr.8
entstanden im Dachboden im Laufe der Zeit recht ansehnliche Sende- und
Antennenanlagen. Nach dem Krieg baute Dieminger das Max-Planck-Institut für
Aeronomie in Lindau am Harz auf, und wurde 1951 dessen Direktor. Prof. Dr.
Dieminger verfasste 120 wissenschaftliche Veröffentlichungen. 1972 erhielt er
das Bundesverdienstkreuz am Bande. Dieminger hatte bedeutenden Anteil am Aufbau
des Amateurfunkwesens in Deutschland.
Balkanexpedition 1926
1926 unternehmen die Vereinsmitglieder Ing. Alfred
Riechers und Techniker Alfred Knauf eine Donau-Faltboot-Expedition mit
systematischen Empfangsbeobachtungen und -messungen deutscher und ausländischer
KW-Sender, u.a. in Abhängigkeit von Wetterbeobachtungen. Österreich, Ungarn, Jugoslawien und Rumänien unterstützen diese Expedition, z.T. durch kostenlose
Mitfahrten auf Donauschiffen. Die gleichen Empfangs- und Messapparaturen werden
ein Jahr später, vermehrt durch Wetter-, luftelektrische und astronomische
Geräte anläßlich der Sonnenfinsternis am 29.6.1927 bei MW-und KW-Empfang bis zu
10 m Wellenlänge eingesetzt. Leider erreichten sie nicht das vorgesehene Ziel,
da durch das im Balkan herrschende Bandenunwesen und das Verbot von
Kurzwellenversuchen in der Türkei die Weiterfahrt in Vajuga (Serbien) vorzeitig
endete. Von besonderem Interesse waren die Empfangsbeobachtungen des kürzlich in
Berlin in Betrieb genommenen Kurzwellensenders der Reichspost. Dieser Sender
wurde währen der gesamten Fahrt längs der Donau mit großer Lautstärke empfangen.
Als Antenne wurde ein 30 m langer Draht in 3-5 m über dem Boden verwendet.
Beobachtet wurde, wie sich die Empfangsverhältnisse mit größer werdender
Entfernung ständig verbessern.
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Die Rückfahrt auf der Donau bei Budapest. Im Hintergrund
das Parlamentsgebäude.
Am
23.04.1928 wurde eine große Coburger Funk-Schau veranstaltet. Der junge Mann,
unten in der Mitte vom Bild, mit der dicken Senderöhre im Arm ist Walter
Dieminger. Die Röhre wurde damals vom Sender Nürnberg ausgeliehen, mit der
Auflage, dass sie unbeschadet zurückgegeben werde. Walter Dieminger hält sie
liebevoll in den Armen.
Die nachfolgenden Jahrzehnte.
In den nachfolgenden unruhigen Jahren verliert sich
leider die Spur der Mitglieder des Coburger Radiovereins. Einige wurden
eingezogen andere wollten der damaligen Gesinnung nicht folgen und gaben das
Hobby auf. In den Nachkriegsjahren als alles was mit Funk zu tun hatte
eingezogen und verboten wurde, ist es um den Amateurfunk still geworden. Infolge
der immer weniger werdenden Mitglieder, zuletzt nur noch 3 Mitglieder, wurde der
Verein 1936 von Amtwegen gelöscht. Das Senden, ja sogar der Besitz von
Senderöhren wurde verboten. Im Coburger Amtsblatt vom 11.8.1945 wurden bei
Verstößen schwere Strafen einschließlich der Todesstrafe angedroht. Erst als im
Jahr 1949 das Gesetz über den Amateurfunk vom Wirtschaftsrat der BI-Zone auf den
Weg gebracht wurde, regten sich auch in Coburg die ersten zarten Pflänzchen.
Herbert Pieper †
DL3LC
der Sohn eines Weinhändlers im Steinweg und Werner Günkel † DL3KT
(VE3JQX) Rundfunkmechaniker bei der Fa. Trommer in der Mohrenstraße, waren die
ersten Lizenzen. Nachdem der Kreis der Funkamateure immer größer wurde und die
Fahrten zum Ortsverband Bamberg des DARC recht umständlich waren, denn nicht
jeder hatte damals ein eigenes Auto. So wurde im Oktober 1956 wurde der
Ortsverband Coburg des Deutschen Amateur Radio Club (DARC) gegründet. Zu dieser
Zeit erstreckte sich das Einzugsgebiet der Mitglieder noch vom Frankenwald bis
zum Grabfeldgau. Heute zählt der Ortsverband Coburg mit 65 Mitgliedern, zu den
größeren Vereinen im Distrikt Franken.
Da ich einige Mitglieder des Radiovereins noch zu ihren
Lebzeiten persönlich gekannte habe, bedauere ich es heute zutiefst, sie nicht zu
der damaligen Zeit befragt zu haben. Sicherlich hätten sie mir noch viele
interessante Begebenheiten aus der Anfangszeit der Radio- und Funktechnik in
Coburg erzählen können. Aus heutiger Sicht, wäre noch vieles nachzufragen. Aber
so ist es, wenn man noch jung ist, dann interessiert man sich meistens nicht
besonders für die alten Geschichten.
Man fragt sich nun, ist Amateurfunk noch sinnvoll oder nur ein
nostalgisches Relikt aus der Anfangszeit des Funkwesens? Hat der Amateurfunk in
einer Welt noch einen Platz, in der Telekommunikation in jeder Form und in allen
Lebensbereichen seinen Einzug nimmt?
Ich bin davon überzeugt, der Amateurfunk hat in unserer Gesellschaft eine
wichtigere Aufgabe als je zuvor. Das meinen auch die Politiker, sonst hätten sie
nicht 1997 ein neues spezielles Amateurfunkgesetz geschaffen. Er ist ein
experimenteller Funkdienst, mit seinen vielfältigen Aktivitäten auf dem Gebiet
der Funktechnik. Trotz Explosion der Telekommunikationsmedien verarmen leider in
unserer Welt die zwischenmenschlichen Kontakte zunehmend. Amateurfunk ist ein
spezielles Medium für Kontakte zwischen allen Menschen, über politische Grenzen
hinweg und in Telegrafie ohne Sprachbarrieren, auch für Senioren, besonders auch
für Einsame und Behinderte.
Ein zusätzlicher positiver Aspekt dieses Hobbys ergibt sich für die Berufswahl
junger Menschen. Funkamateure sind wissbegierig und immer an neuen Techniken
interessiert und bestrebt eigene Ideen umzusetzen. Hier bieten sich sehr gute
berufliche Chancen in der Elektronikindustrie, da Funkamateure mit ihrer
praktischen Erfahrung und Wissen bevorzugt einen Arbeitsplatz bekommen. Es ist
nicht nur ein Hobby – es ist der Einstieg in ein zukunftssicheres und
interessantes Berufsleben.
© 08.2021 Heinz Holzberger DC5WW
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